Donnerstag, 8. April 2021

Fassaden-Innendämmung für klimatisierte Gebäude in den Tropen - Energiesimulation mit "Ladybug Tools"

Einer der Grundsätze der Bauphysik ist es, Wärmedämmung immer auf der "kalten Seite" von Fassaden anzubringen. Aus diesem Grund haben die meisten Gebäude in kalten oder gemäßigten Klimazonen eine äußere Wärmedämmung. Das gleiche Prinzip sollte für klimatisierte Gebäude in heißen Klimazonen gelten, in diesem Fall mit Wärmedämmung auf der Innenseite der Fassaden...



Um die Effizienz von innenliegenden Wärmedämmungen zu untersuchen, habe ich mit der Software 'Ladybug Tools' eine Gebäudeenergiesimulation für eine einfache Bürogebäudeetage in einem tropischen, feucht-heißen Klima durchgeführt.

 

Lage

Wie in einem meiner vorherigen Beiträge erwähnt, stellen Gebäude in tropischen Klimazonen in Äquatornähe eine Herausforderung hinsichtlich energieeffizienter Konzepte dar. Aus diesem Grund habe ich Jakarta gewählt, das nach der Köppen-Klimaklassifikation ein tropisches Monsunklima (Am) aufweist. Tropische Klimate zeichnen sich durch meist bedeckten Himmel, hohe Luftfeuchtigkeit und häufige Niederschläge aus. Die Lufttemperatur ist immer hoch mit minimalen täglichen und saisonalen Schwankungen.

Modell

Das Gebäudemodell, das als Grundlage für die Energiesimulation dient, wurde in Rhino 3D erstellt. Ich habe versucht, das Modell so einfach wie möglich zu halten. Die Grundparameter des Modells sind:
  • Abmessungen: 6m x 8m im Grundriss , Geschosshöhe 3,5m, 48m², 168m³, eine durchgehende thermische Zone
  • Fenster: Low-E Glas in der Süd- und Nordfassade, Südfenster mit permanenter horizontaler Beschattungsvorrichtung, U-Wert: 1,3 W/(m²K), g-Wert: 0,3, Lichttransmission: 0,64
  • Materialien: 16cm Betonaußenwände auf allen Seiten, Betondecken als Schnittstelle zum oberen und unteren Geschoss mit gleichen thermischen Bedingungen 
  • Dämmung: Mineraldämmplatte, Wärmeleitfähigkeit 0,045 W/(mK), Dicke zwischen 20mm und 100mm 
  • Thermische Masse: 10m² Betonwand mit 16cm Dicke
  • Klimaprogramm: klimatisierte offene Büronutzung mit Standardzeitplänen und internen Lasten gemäß EnergyPlus
  • keine natürliche Belüftung

Screenshot des Rhino-Modells

Gebäude-Energiesimulation

Die Simulation wurde mit 'Ladybug' erstellt, einem Plug-In für Grasshopper, dem grafischen Algorithmus-Editor für Rhino 3D. Ladybug wiederum verwendet EnergyPlus als Berechnungs-Engine und einige andere Programme für seine Gebäudeenergiesimulationen. Das Gute an diesen Programmen ist, dass sie alle kostenlos sind, mit Ausnahme von Rhino 3D, das aber zumindest während eines 90-tägigen Testzeitraums kostenlos genutzt werden kann. Die folgende Abbildung zeigt die Grasshopper-Canvas (d. h. die grafische Algorithmus-Darstellung) dieser Simulation.

Grasshopper-Canvas der Energiesimulation
 

Die Grasshopper-Datei kann hier heruntergeladen werden..

In dieser Simulation wurde die jährliche Menge an Kühlenergie in kWh/a berechnet. Insgesamt gab es sechs Simulationsdurchläufe mit unterschiedlichen Fassadenkonstruktionen:

  1.     16mm Betonwände, keine Wärmedämmung
  2.     16-mm-Betonwände mit Innendämmung, Dicke: 20 mm
  3.     16-mm-Betonwände mit Innendämmung, Dicke: 40mm
  4.     16-mm-Betonwände mit Innendämmung, Dicke: 60 mm
  5.     16-mm-Betonwände mit Innendämmung, Dicke: 80 mm
  6.     16-mm-Betonwände mit Innendämmung, Dicke: 100 mm  
     

Ergebnisse

Ladybug bietet verschiedene Werkzeuge zur grafischen Darstellung der Simulationsergebnisse. Die folgende Abbildung ist eine 3D-Grafik der jährlichen Kühllast des klimatisierten Gebäudes ohne Wärmedämmung.


Jahreskühllast - Außenwände ohne Dämmung

 

Aufgrund des tropischen Klimas sind die Kühllasten das ganze Jahr über ähnlich hoch, bei geringen saisonalen Unterschieden. Die tägliche Kühlung ist gekennzeichnet durch geringe Lasten in der Nacht/ am frühen Morgen und hohe Lasten während der Bürozeiten. Die stündlichen Kühllasten haben ihre Spitzen um ca. 16 Uhr mit bis zu 5,5 kW.

Durch das Anbringen einer Wärmedämmschicht an der Innenseite der Betonwände der Fassade können die Kühllasten deutlich reduziert werden. Die nächste Grafik zeigt die jährlichen Kühllasten des gleichen Gebäudes, diesmal mit 40 mm Innendämmung. In diesem Fall überschreiten die stündlichen Kühllasten selten 4 kW.


Jahreskühllast - Aßenwände mit 40 mm Innendämmung
Durch die Kombination der Ergebnisse aller sechs Simulationen in einem Liniendiagramm wird deutlich, we sich die verschieden dicken Innendämmungen auf die Kühllast auswirken.


Fazit

Wie aus dem obigen Liniendiagramm ersichtlich, kann die jährliche Kühlenergie durch die Anbringung einer inneren thermischen Fassadendämmung drastisch reduziert werden. Im vorliegenden Beispiel konnte die jährliche Kühlenergie durch das Anbringen einer 20 mm dicken Wärmedämmschicht um mehr als 20 % reduziert werden. Bei einer 40 mm dicken Dämmschicht liegt die Energieeinsparung bei mehr als 25 %.

Eine weitere Erhöhung der Dämmschichtdicke hat nur einen geringen Einfluss auf die Kühlenergieeinsparung.

Europas größte Energieverbraucher - einige weitere Datenanalysen

 

Diesmal werde ich den Energieverbrauch und die Energieeffizienz europäische Länder genauer unter die Lupe nehmen. Die Eurostat-Datenbank verfügt über eine Fülle von Daten zu diesen Themen, die kostenlos heruntergeladen werden können. Ich verwende die Programmiersprache Python mit Pandas, um die Daten zu analysieren und die Ergebnisse als Diagramme zu visualisieren.




Primärenergieverbrauch in Europa

Der Primärenergieverbrauch misst den Gesamtenergiebedarf eines Landes ohne die gesamte nichtenergetische Nutzung von Energieträgern (z. B. Erdgas, das nicht zur Verbrennung, sondern zur Herstellung von Chemikalien verwendet wird) (1). Die Daten wurden aus der Eurostat-Datenbank abgerufen und im CSV-Format heruntergeladen (2).

Wie im folgenden Liniendiagramm für die gesamte EU zu sehen ist, gibt es einen leichten Rückgang des Primärenergieverbrauchs im Verlauf der Jahre 2005 bis 2015. Für das Jahr 2015 zeigt sich jedoch wieder ein Anstieg im Vergleich zu 2014.

Das folgende Balkendiagramm zeigt den Primärenergieverbrauch der einzelnen europäischen Länder für das Jahr 2015.

Anteil der erneuerbaren Energie in Europa

Der Primärenergieverbrauch selbst sagt nichts darüber aus, wie die verbrauchte Energie produziert wird. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie "sauber" die verbrauchte Energie ist, habe ich einige Diagramme erstellt, die auf der Eurostat-Datei "Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch" basieren:  (3).



Das obige Liniendiagramm zeigt einen flachen linearen Anstieg des Anteils der erneuerbaren Energien von 2006 bis 2015. Auffällig ist, dass es es keine Wachstumsbeschleunigung des Anteils erneuerbarer Energien in diesem Zeitraum gibt.

Wie im nächsten Balkendiagramm zu sehen, haben die größten Primärenergieverbraucher in Europa (Deutschland, Frankreich, Großbritannien usw.) einen vergleichsweise geringen Anteil an erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch im Jahr 2015.

 

Primärenergieverbrauch pro Kopf in Europa

Es ist offensichtlich, dass die größten Primärenergieverbraucher in Europa auch Länder mit einer recht hohen Produktivität und einer großen Bevölkerung sind. Daher halte ich es für sinnvoll, den Primärenergieverbrauch ins Verhältnis zur Bevölkerung und zum Bruttoinlandsprodukt zu setzen.

Um den Primärenergieverbrauch pro Person zu analysieren, habe ich die zuvor gezeigten Daten mit den Eurostat-Daten zur Bevölkerung der europäischen Länder kombiniert (4).


Die obige Grafik zum Primärenergieverbrauch pro Kopf in der EU zeigt einen Abwärtstrend, der dem des absoluten Energieverbrauchs in der EU sehr ähnlich ist (siehe erste Grafik ganz oben). Wie Sie sehen können, verbrauchte jeder EU-Bürger im Jahr 2015 etwa drei Tonnen Öläquivalent.

Schaut man sich jedoch die einzelnen Länder im Jahr 2015 an (siehe unten), gibt es einen großen Unterschied zu den absoluten Werten des Primärenergieverbrauchs: Die größten Primärenergieverbraucher pro Kopf in Europa sind eher kleine Länder wie Island oder Luxemburg. Länder mit einer großen Bevölkerung und einem hohen BIP sind eher im Mittelfeld zu finden.

Energieintensität in Europa

Ein zweiter Ansatz besteht darin, den Primärenergieverbrauch mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Beziehung zu setzen. Zu diesem Zweck habe ich die zuvor gezeigten Daten zum Energieverbrauch mit den Eurostat-Daten zum Bruttoinlandsprodukt der europäischen Länder kombiniert (5).

Der Energieverbrauch im Verhältnis zum BIP wird als Energieintensität bezeichnet. Laut Wikipedia ist die Energieintensität ein Maß für die Energieeffizienz einer Volkswirtschaft, bei welchem der Energieeinsatz zum BIP ins Verhältnis gesetzt wird. (6)


Wie Sie im nächsten Balkendiagramm sehen können, haben einige der Länder mit dem höchsten Primärenergieverbrauch in Europa (Großbritannien, Italien, Deutschland) eine vergleichsweise geringe Energieintensität.

Visualisierung der Daten

Wie in meinem letzten Beitrag wurden alle Rohdaten in Form von CSV-Dateien von den jeweiligen Websites abgerufen. Alle Diagramme wurden in Python mit den Modulen Matplotlib, Seaborn und Pandas erstellt.

Die Verwendung von Python in Kombination mit Pandas ist eine großartige Möglichkeit, Rohdaten zu analysieren, zu bearbeiten und auf neue Weise zu kombinieren. Mit Matplotlib und Seaborn können die aufbereiteten Daten nach den eigenen Vorstellungen visualisiert werden.

Der Code, den ich zur Analyse des Energieverbrauchs pro Kopf geschrieben habe, kann hier als Jupyter-Notebook abgerufen werden.

 

  Literatur

(1) Primary Energy Consumption, Eurostat Database. abgerufen am 21. Januar 2018.
(2) ebd.
(4) GDP and main components , Eurostat Database. Abgerufen am 21. Januar 2018. 
(6) Energieintensität, Wikipedia. Abgerufen am 08. April 2021.



Dienstag, 2. Januar 2018

Schlüsselfaktoren des globalen Energieverbrauchs - Datenanalyse mithilfe von Python

Gebäude verursachen einen Großteil des globalen Energieverbrauchs. Dessen zukünftige Entwicklung hängt von drei Schlüsselfaktoren ab: der Entwicklung des Bevölkerungswachstums, der ökonomischen Entwicklung und der Energieintensität (1). Im folgenden werde ich hierzu öffentlich zugängliche Rohdaten mithilfe von Python und Matplotlib in Diagrammen visualisieren.

 

Weltweiter Bevölkerungswachstum bis 2015

Die Daten zur globalen Bevölkerungsentwicklung wurden der Webseite der Vereinten Nationen: "World Population Prospects 2017" entnommen. Der untersuchte Zeitraum umfasst die Jahre 1950 bis 2100. Das folgende Stapeldiagramm zeigt die Bevölkerungsentwicklung der Weltregionen bis 2015.

 
Um die Bevölkerungsentwicklung der einzelnen Regionen besser zu verdeutlichen, habe ich im folgenden dieselben Daten mithilfe eines multiplen Diagramms dargestellt.

 

Zukünftiges globales Bevölkerungswachstum

Die Zahlen von 1950 bis 2015 sind Schätzungen. Die Zahlen von 2015 bis 2100 dagegen sind Prognosen, die auf der "medium fertility variant" beruhen. Die strichlierte Linie markiert das Jahr 2015 und somit die Grenze zwischen der geschätzten und der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung.


Wiederum habe ich dieselben Daten nochmals zur Verdeutlichung der einzelnen regionalen Entwicklungen als multiples Diagramm dargestellt.

 

Globales Wirtschaftswachstum

Das folgende Diagramm zeigt die durchschnittliche Entwicklung des Bruttosozialproduktes pro Kopf der letzten fünf Jahre (2011 - 2016). Die Rohdaten habe ich der Webseite der Weltbank entnommen. Staaten mit dunkelvioletter Farbe hatten in diesen Zeitraum den höchsten Anstieg des Bruttosozialproduktes pro Kopf, Staaten mit blauer Färbung hatten dagegen ein negatives Wachstum.


https://drive.google.com/open?id=1LYzGTUAC7QgNfyOIdxlu42OdrVhNvLZX

Die Darstellung oben ist ein Screen Shot der ursprünglichen svg-Datei. Diese ist interaktiv und zeigt nach dem Download die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Staaten.

Globaler Primärenergieverbrauch

Die umfangreichsten Daten zum Primärenergieverbrauch habe ich in der BP Statistical Review of World Energy 2016 gefunden. Der Beobachtungszeitraum umfasst die Jahre 1965 bis 2015. Die Daten umfassen Kohle, Öl, Gas, Atomenergie und erneuerbare Energien, jedoch keine traditionellen Biomassequellen. Leider entspricht die Aufteilung der Regionen nicht exakt der Aufteilung in den Daten zur Bevölkerungsentwicklung.

Im folgenden werden dieselben Daten wieder als multiples Diagramm dargestellt.

Datenvisualisierung

Alle Rohdaten wurden von den entsprechenden Webseiten in Form von csv-Dateien heruntergeladen. Die interaktive Weltkarte zur Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung wurde in Python mit dem Modul Pygal erstellt. Alle anderen Diagramme wurden in Python mit den Diagrammen Matplotlib, Seaborn und Pandas erstellt.

 

Literatur

(1) vgl. Daniels, Klaus; Hammann, Ralph E.: Energy Design for Tomorrow, S. 104

Freitag, 20. Februar 2015

U-Wert-Optimierung von Vorhangfassaden - Teil 3

Nachdem wir uns zuletzt mit den technischen Möglichkeiten der U-Wert-Optimierung von Vorhangfassaden beschäftigt haben, geht es diesmal um die gestalterischen Aspekte: wie wirken sich Änderungen der Fassadenaufteilung, der Rasterbreite und der Einspannelemente auf den Wärmeschutz der Fassade aus?





Reduktion der Einspannelemente

Die Menge der Fassadenprofile (Pfosten, Riegel und Rahmen) wirkt sich in zweifacher Hinsicht auf den Ucw-Wert aus: erstens durch den (meist im Verhältnis zu den Ausfachungen höheren) U-Wert der Profile, zweitens durch die zusätzlichen Ψ-Werte der Berührungsbereiche zwischen Profilen und Ausfachungen entstehen. Daher scheint es naheliegend, die Anzahl an öffenbaren Fenstern zu verringern und durch Festverglasungen zu ersetzen.

Die folgende Abbildung zeigt oben wieder unser aneinander gereihtes Referenz-Fassadenfeld aus den vorigen Posts. Darunter ist die gleiche Fassadenaufteilung, diesmal jedoch ohne Einspannelemente.

Wie schon im letzten Post beschrieben, ergeben sich für das Referenz-Fassadenfeld - also mit Einspannelementen - folgende U-Werte:


  • mit Standardkomponenten:
Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw
Ucw = (10,434 W/K + 4,534 W/K) / 12,00 m²
Ucw = 1,2 W/(m²K)  (1,247)
  • mit thermisch optimierten Komponenten:
Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw
Ucw = (5,742W/K + 1,012 W/K) / 12,00 m²
Ucw = 0,6 W/(m²K)  (0,563)

Für die Fassade ohne Einspannelemente ergeben sich folgende U-Werte:

  • mit Standardkomponenten:
Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw
Ucw = (10,024 W/K + 4,072 W/K) / 12,00 m²
Ucw = 1,2 W/(m²K)  (1,175)
  • mit thermisch optimierten Komponenten:
Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw
Ucw = (5,540 W/K + 0,848 W/K) / 12,00 m²
Ucw = 0,5 W/(m²K)  (0,525)

Der Einsatz von Festverglasungen statt öffenbaren Elementen verbessert in diesem Fall den Ucw-Wert um 6 % (Standard) bzw. 7% (thermisch optimiert). Rundet man den Wert - wie in der Norm vorgesehen - auf eine Dezimalstelle, so ergibt sich eine Verbesserung des thermisch optimierten Wertes von 0,6 auf 0,5 W/(m²K). Der Ucw-Wert für die Fassade mit Standardkomponenten bleibt dagegen bei einer Dezimalstelle unverändert.

Trotz der Verbesserung des Ucw-Wertes ist zu beachten, dass eine natürliche Belüftung durch öffenbare Fensterelemente sich positiv auf die Zufriedenheit der Nutzer eines Gebäudes auswirkt (2).

Breiteres Fassadenraster

Die Verbreiterung des Fassadenrasters ist eine weitere Möglichkeit, den Anteil der Fassadenprofile an der Gesamtfassadenfläche zu verringern.


Vergrößert man den Rasterabstand z. B. wie oben dargestellt von 1,5 m auf 2,0 m, so ergeben sich folgende Ucw-Werte:


  • mit Standardkomponenten:
Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw
Ucw = (13,655 W/K + 5,224 W/K) / 16,00 m²
Ucw = 1,2 W/(m²K)  (1,180)
  • mit thermisch optimierten Komponenten:
Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw
Ucw = (7,550 W/K + 1,157 W/K) / 16,00 m²
Ucw = 0,5 W/(m²K)  (0,544)

Das um 33 % breitere Fassadenraster bewirkt also eine Verbesserung des Ucw-Wertes um 6 % (Standard) bzw. 3% (thermisch optimiert).

Zusätzlicher Riegel

Auch die horizontale Aufteilung der Fassade kann verändert werden. Oft werden aus gestalterischen Gründen zusätzliche Riegelprofile eingesetzt.


So kann man z. B., wie hier dargestellt, ein kleineres Aluminiumpaneel vor der Geschossdecke und einen zusätzlichen Riegel auf Brüstungshöhe platzieren. In diesem Fall ergeben sich folgende Ucw-Werte:



  • mit Standardkomponenten:
Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw
Ucw = (13,322 W/K + 3,994 W/K) / 12,00 m²
Ucw = 1,4 W/(m²K)  (1,443)
  • mit thermisch optimierten Komponenten:
Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw
Ucw = (7,111 W/K + 1,248 W/K) / 12,00 m²
Ucw = 0,7 W/(m²K)  (0,697)

Im Vergleich zur Referenzfassade ergibt sich eine Verschlechterung des Ucw-Wertes von immerhin 14 % (Standard) bzw. 19 % (thermisch optimiert). Diese Verschlechterung hängt jedoch nicht nur mit dem zusätzlichen Riegel, sondern auch mit dem höheren Anteil an Glasflächen zusammen, die eine schlechtere Wärmedämmung als die Paneelflächen haben.

Das Referenz-Fassadenfeld mit seinem geringeren Riegel-und Glasflächenanteil verfügt also über einen wesentlich besseren Ucw-Wert als das veränderte Fassadenfeld.

Mehr Glas


Auch in diesem Beispiel wurde der Anteil an opaken Paneelflächen zugunsten größerer transparenter Glasflächen verringert. Dadurch ergeben sich folgende U-Werte:



  • mit Standardkomponenten:
Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw
Ucw = (13,299 W/K + 3,532 W/K) / 12,00 m²
Ucw = 1,4 W/(m²K)  (1,403)
  • mit thermisch optimierten Komponenten:
Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw
Ucw = (7,169 W/K + 1,079 W/K) / 12,00 m²
Ucw = 0,7 W/(m²K)  (0,687)

Zwar wurde in diesem Fall auf einen zusätzlichen Riegel verzichtet, trotzdem haben sich die Ucw-Werte ähnlich verschlechtert wie im vorigen Beispiel. Der Grund hierfür ist vor allem der durch das größere öffenbare Fenster erhöhte Rahmenanteil (Af).

Auch hier hat also das Referenz-Fassadenfeld einen besseren Wärmeschutz als das abgeänderte Fassadenfeld mit seinem höheren Glas- und Rahmenanteil.

Fazit

Auch die gestalterische Optimierung wirkt sich positiv auf den Ucw-Wert eine Vorhangfassade aus. Die hier beschriebenen gestalterischen Veränderungen haben jedoch auf den Ucw-Wert geringere Auswirkungen als die technische Verbesserung der einzelnen Fassadenkomponenten. Diese hatte, wie im vorigen Post beschrieben, immerhin eine Halbierung des Ucw-Wertes bewirkt.

Nur zwei der vier hier gezeigten Varianten führten zu einer Verbesserung des Ucw-Wertes. Dies deutet darauf hin, dass die Referenzfassade aufgrund ihrer einfachen Aufteilung bereits über relativ günstige Wärmeschutzeigenschaften verfügt.

Die gezeigten Fassadenvarianten lassen jedenfalls den Schluss zu, dass sich folgende gestalterische Maßnahmen günstig auf den Ucw-Wert auswirken:
  • Verringerung des Profilanteils (Pfosten, Riegel, Rahmen) an der Fassadenfläche
  • möglichst große Rasterbreiten 
  • möglichst wenige öffenbare Fenster
  • Verringerung des Glasanteils und Erhöhung des Anteils an gedämmten Paneelen
Den besten Ucw-Wert erzielt man durch die Kombination von gestalterischer Optimierung des Fassaden-Layouts und technischer  Optimierung der einzelnen Fassadenkomponenten.

Zu erwähnen bleibt, dass gerade bei sehr niedrigen Ucw-Werten die Rundung des Endergebnisses auf eine Nachkommastelle zu starken Verallgemeinerungen führt. So ergeben Ergebnisse von 0,550 bis 0,649 W/(m²K) einen Ucw-Wert von 0,6 W/(m²K), obwohl zwischen beiden Werten rein rechnerisch ein Unterschied von gut 15 % besteht. 

Literatur

(1) Berechnungen des Ucw-Wertes gem. DIN EN ISO 12631:2013-01, Wärmetechnisches Verhalten von Vorhangfassaden - Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten (ISO 12631:2012)
(2) Vgl. Brager, Gail S.; de Dear, Richard: Climate, Comfort and Natural Ventilation, Berkeley 2001, S. 4 ff.

Dienstag, 10. Februar 2015

U-Wert-Optimierung von Vorhangfassaden - Teil 2


Im letzten Post habe ich einige Grundlagen der Ucw-Wert-Berechnung beschrieben und die Geometrie des Referenz-Fassadenfeldes festgelegt. Nun sollen die die U- und Ψ-Werte der einzelnen Fassaden-Bestandteile definiert und der  U-Wert der Gesamtfassade berechnet werden.  Anschließend wird der Frage nachgegangen, wie weit sich der Ucw-Wert durch die wärmetechnische Optimierung einzelner Fassadenkomponenten senken lässt.
 
Viele Systemanbieter von Aluminium-Pfosten-Riegel-Konstruktionen bieten eine Standardversion mit geringerer Wärmedämmung und eine hochwärmegedämmte, teilweise als "Passivhaus-tauglich" bezeichnete Version ihrer Profilsysteme an. Ähnliches gilt für Verglasungen: auch hier kann man zwischen Standard-Zweischeiben- und hochwärmedämmenden Dreischeiben-Isolierverglasungen unterscheiden. Für unser Referenz-Fassadenfeld soll daher zunächst eine Ausführung mit "Standard"-Komponenten und später eine thermisch optimierte Version untersucht werden.

Ucw-Wert: die "Standard"-Version

Tabelle A.1 in EN ISO 12631:2012 (1) bietet eine Leitlinie zur Berechnung des Ucw-Wertes. Darin wird beschrieben, wie man an die für die Ucw-Berechnung nötigen U- und Ψ-Werte der einzelnen Fassadenkomponenten gelangt. In den meisten Fällen gibt es zwei Möglichkeiten zur Ermittlung dieser Werte: man kann Werte aus entsprechenden Tabellen der Norm entnehmen, oder man ermittelt die Werte nach in der Norm festgelegten Berechnungs- oder Bemessungsverfahren (meist geschieht dies durch die Produkthersteller).

Die Angaben in den Norm-Tabellen sind in der Regel auf der sicheren Seite angesiedelt. Der berechnete oder bemessene Wert für ein bestimmtes Produkt gemäß Herstellerangaben ist meist besser.

Rahmen
Gemäß der oben erwähnten Tabelle A.1  können die Werte für die Rahmenprofile Uf, Um und Ut nach ISO 10077-2:2012 berechnet oder EN 12412-2:2003 gemessen werden. Alle größeren Hersteller von Profilsystemen stellen die entsprechenden nach diesen Normen ermittelten U-Werte zur Verfügung.

Der U-Wert für ein bestimmtes Pfosten- oder Riegelprofil ist von der Einbaustärke der Ausfachungen und von der Tiefe des raumseitigen Tragprofils abhängig. Bei einer Einbaustärke von z.B. 28 mm (2-Scheiben-Isolierverglasung) und einer Profiltiefe von ca. 150 mm kann man einen Wert von ungefähr 2,1 W/(m²K) für Ut und Um ansetzen (2). Dies gilt für Standardausführungen ohne zusätzliche Wärmedämmmaßnahmen. Die Uf-Werte von Standard-Rahmenprofilen für Einsatzelemente bewegen sich je nach Hersteller bzw. Produkt um 1,8 W/(m²K). Für unsere Referenzfassade nehmen wir daher folgende Werte an:
-> Ut; Um:  2,1 W/(m²K)
-> Uf:  1,8 W/(m²K)

Die Werte für Ψm,f und Ψt,f können in Tabelle B.6, EN ISO 12631:2012 abgelesen oder nach ISO 10077-2:2012 berechnet werden. Tabelle B.6 unterscheidet insgesamt fünf Typen von Verbindungsbereichen und weist diesen Ψm,f- und Ψt,f-Werte von 0,05 bis 0,11 W/(mK) zu. Für unseren Fall nehmen wir einen mittleren Wert von 0,07 W/(m²K) an.
-> Ψm,f; Ψt,f: 0,07 W/(mK)

Verglasung
Die Werte für Ug können in ISO 10077-1:2006 abgelesen werden oder nach EN 673:2011 berechnet bzw. nach EN 674:2011 und EN 675:2011 gemessen werden. Für eine 2-Scheiben-Isolierverglasung kann man von Ug: 1,1 W/(m²K) als Stand der Technik ausgehen.
-> Ug: 1,1 W/(m²K)

Die Werte für Ψf,g, Ψm,g, und Ψt,g können in den Tabellen B.1, B.2, B.3 und B.4 abgelesen oder nach 10077-2:2012 berechnet werden. Die Norm unterscheidet zwischen "üblichen" und "wärmetechnisch verbesserten" Abstandhaltern für Verglasungen. Darüber hinaus sind die Tabellenwerte abhängig von der Ausführungsart der angrenzenden Profile und der Verglasung. Bei Verwendung von üblichen Abstandhaltern und beschichtetem Glas mit niedrigem Emissionsgrad gelten für Aluminiumpfosten und -riegel Ψm,g- und Ψt,g-Werte von 0,11 W/(mK). Für einen Metallrahmen mit wärmetechnischer Trennung gilt ein Ψf,g-Wert von ebenfalls 0,11 W/(mK). 
-> Ψm,g; Ψt,g; Ψf,g: 0,11 W/(mK)

Paneele
Die Werte für Up können nach ISO 6946: 2007 berechnet werden. Da die Dicke der Dämmschicht im Paneel entscheidend für den Up-Wert ist, können wir als Annäherung die äußeren und inneren Metallschalen sowie eventuelle weitere Bestandteile des Paneels vernachlässigen. Bei einem Dämmstoff von 140 mm Dicke und einer Wärmeleitfähigkeit von λ: 0,035 W/(mK) gelangen wir zu  einem U-Wert von 0,24 W/(m²K).
-> Up: 0,24 W/(m²K)

Die Werte für Ψp können in Tabelle B.5 abgelesen oder nach 10077-2:2012 berechnet werden. Ψp ist nach Tabelle B.5 abhängig von der Wärmeleitfähigkeit des Abstandhalters, dem Paneeltyp (Typ 1: mit luftgefülltem Zwischenraum; Typ 2: ohne luftgefüllten Zwischenraum), sowie den Materialien der innenliegenden und außenseitigen Verkleidung. So ergibt sich bei Typ 2 mit Aluminiumverkleidung innen und außen sowie Abstandhaltern mit λ: 0,2 W/(mK) ein Ψp-Wert von 0,2 W/(mK). 
-> Ψp: 0,2 W/(mK)


Ermittlung des Ucw-Wertes
Damit sind alle nötigen Angaben für die Berechnung der Referenzfassade festgelegt. In den folgenden beiden Tabellen werden nun die Teilergebnisse für ΣA×U und für ΣΨ×l ermittelt.


Der Ucw-Wert für die Fassade mit Standardkomponenten ergibt somit:

Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw
Ucw = (10,434 W/K + 4,534 W/K) / 12,00 m²
Ucw = 1,2 W/(m²K)  (1,247)

Ucw-Wert: die thermisch optimierte Version


Rahmen
Hochwärmegedämmte Profile verfügen in der Regel über zusätzliche Dämmkörper im Bereich zwischen raumseitigen Profil und Andruckleiste. Hier können die Um- und Ut-Werte bei einer 3-Scheiben-Isolierverglasung mit z. B. 44 mm Einbaustärke ungefähr 0,8 W/(m²K) betragen. Aufgrund der ständigen Weiterentwicklung können diese wie auch viele der anderen hier genannten Werte aber bald schon wieder veraltet sein.
-> Ut; Um:  0,8 W/(m²K)

Durch den Einbau zusätzlicher Einschub- und Glasfalzdämmungen in die Rahmenprofile der Einsatzelemente kann auch der Uf-Wert entscheidend verringert werden. Die Uf-Werte der meisten Hersteller für hochwärmegedämmte Profile bewegen sich im Moment im Bereich zwischen 1,0 bis 1,2 W/(m²K).
-> Uf:  1,1 W/(m²K)

Für Ψm,f und Ψt,f gibt es wie beschrieben neben den Werten aus Tabelle B.6, EN ISO 12631:2012 auch die Herstellerangaben zu den jeweiligen Einspannprofilen nach Berechnungen gemäß ISO 10077-2:2012 . Hier sind Werte um die 0,025 W/(mK) möglich. 
-> Ψm,f; Ψt,f: 0,025 W/(mK)

Verglasung
Ug-Werte für 3-Scheiben-Isolierverglasungen liegen je nach verwendeten Beschichtungen und Scheibenzwischenraum-Füllungen zwischen 0,5 und 0,7 W/(m²K).
-> Ug: 0,6 W/(m²K)

Ψf,g, Ψm,g, Ψt,g können ebenfalls durch Berechnung nach EN ISO 10077-2:2012 bestimmt werden. Für thermisch verbesserte Randverbünde verschiedener Hersteller hat der Arbeitskreis "Warme Kante" Datenblätter mit den entsprechenden Ψ-Werten veröffentlicht. Bei einer Dreischeiben-Isolierverglasung erreichen die Werte je nach Hersteller bis zu 0,030 W/(mK) für Gläser in Einspannelementen. 
-> Ψm,g; Ψt,g; Ψf,g: 0,04 W/(mK)

Paneele
Die Dicke gedämmter Fassadenpaneele wird in der Regel durch die Tiefe der Fassadenkonstruktion begrenzt. Bei Pfosten- und Riegelprofiltiefen von z. B. 150 mm kann daher die Dämmstoffdicke meist auch nicht mehr als ca. 150 mm betragen. Eine weitere Möglichkeit der Optimierung ist die Verwendung von Dämmstoffen mit geringerer Wärmeleitfähigkeit. Doch auch hier sind die Optimierungsmöglichkeiten begrenzt.

Einen Ausweg bietet die Verwendung von Vakuumisolationspaneelen (VIP). Der Gebrauch solcher Paneele hat sich bis dato noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Man kann jedoch davon ausgehen, dass diese Art der Dämmung in einigen Jahren gerade im Bereich von Vorhangfassaden weitere Verbreitung finden wird. Die Vorteile sind hier zum einen die Möglichkeit, Dämmpaneele zu verwenden, die die gleiche Dicke wie Glasscheiben haben. Zum anderen ist durch die festgelegten und durchgehenden Fassadenraster eine Konfektionierung ohne weitere Anpassung auf der Baustelle möglich.

Bei Vakuumisolationspaneelen, die der Dicke einer Dreischeiben-Isolierverglasung entsprechen, kann man von einem Up-Wert von 0,15 bis 0,2 W/(m²K) und einem Ψp-Wert von 0,02 W/(mK) ausgehen. Auch hier kann aufgrund der ständigen Weiterentwicklung dieser relativ neuen Paneelart in der nächsten Zeit mit weiteren Verbesserungen gerechnet werden. 
-> Up: 0,18  W/(m²K)
-> Ψp: 0,02 W/(mK)


Ermittlung des Ucw-Wertes
Somit sind auch für die thermisch optimierte Fassade alle nötigen Angaben zur Berechnung festgelegt. Die folgenden beiden Tabellen zeigen wieder die Teilergebnisse für ΣA×U und für ΣΨ×l.


Der Ucw-Wert für die Fassade mit thermisch optimierten Komponenten ergibt somit:

Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw
Ucw = (5,742W/K + 1,012 W/K) / 12,00 m²
Ucw = 0,6 W/(m²K)  (0,563)

Fazit der technischen Optimierung

Der Ucw-Wert konnte mit dem Einsatz thermisch optimierter Komponenten im Vergleich zur Standardversion 1,2 auf 0,6 W/(m²K) glatt halbiert werden. Da nicht in allen Bereichen die bestmöglichen Werte eingesetzt wurden, kann man sogar davon ausgehen, dass auch ein Ucw-Wert von 0,5 W/(m²K) im Bereich des Möglichen ist.

Auffällig ist, dass der Gesamt-U-Wert der Fassade in beiden Fällen ähnlich oder gleich dem U-Wert des Glases ist. Der Ug-Wert kann also bei typischen Fassaden-Layouts, die dem hier dargestellten ähneln, als Anhaltspunkt für den Ucw-Wert der Gesamtfassade angenommen werden.

Die Verbesserungspotentiale scheinen zudem im Bereich der Ψ-Werte höher zu sein als bei den U-Werten. Vergleicht man die U-Werte zwischen Standard- und optimierter Version, so konnte hier ungefähr eine Halbierung der Werte erreicht werden. Bei den Ψ-Werten war jedoch sogar eine Reduktion auf weniger als ein Viertel möglich.

Bei den Einzelwerten mit dem größten Optimierungspotential stechen zum einen die Ut- und Uf-Werte (Verbesserung von 2,1 und 0,8 W/(m²K)), zum anderen der Ψp-Wert (Verbesserung um das Zehnfache von 0,2 auf 0,02 W/(mK)) hervor.

Wie oben angedeutet, stellt die wärmetechnische Verbesserung der Fassadenbestandteile nur eine Seite der U-Wert-Optimierung dar. Im nächsten Post werde ich mich daher näher mit der anderen Seite, der geometrischen Optimierung von Vorhangfassaden auseinandersetzen.

Literatur und Anmerkungen

(1) DIN EN ISO 12631:2013-01, Wärmetechnisches Verhalten von Vorhangfassaden - Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten (ISO 12631:2012)
(2) Für die Ermittlung der U- und Ψ-Werte wurden die aktuellen Aluminium-Profilsysteme der Marken Schüco, Wicona, Raico und Hueck verglichen (Stand: Februar 2015). Die Werte variieren teilweise je nach Hersteller und Produktlinie. Wo verschiedene Werte vorlagen, wurden Mittelwerte als Rechengrundlage angenommen.

Sonntag, 8. Februar 2015

U-Wert-Optimierung von Vorhangfassaden - Teil 1


Gut gedämmte Fassaden gehören zu den wichtigsten Bestandteilen eines energieeffizienten Gebäudekonzepts. Um den ständig steigenden Anforderungen an Fassaden gerecht zu werden, bedarf es einer wärmeschutzmäßigen Optimierung aller Fassadenkomponenten bereits in der Planungsphase. In diesem und den folgenden Posts möchte ich einige Möglichkeiten der thermischen Fassadenoptimierung aufzeigen.

 
Meine Beschäftigung mit dem Thema hat einen konkreten Anlass: in einem von mir aktuell bearbeiteten Projekt in Mitteleuropa wird für die Vorhangfassade ein U-Wert von unter 0,65 W/(m²K) vorgeschrieben. Diesen niedrigen Wert zu erreichen, hat sich als ziemlich schwierig herausgestellt. Im folgenden möchte ich mich daher näher mit den Einflussmöglichkeiten, Stellschrauben und Spielräumen bei der thermischen Optimierung von Vorhangfassaden auseinandersetzen. Doch zunächst ein paar Grundlagen...

Ucw-Wert: Zwei Berechnungsverfahren

Die entscheidende Größe des (winterlichen) Wärmeschutzes einer Fassade ist der Wärmedurchgangskoeffizient oder U-Wert. Die Berechnung des U-Wertes für Vorhangfassaden ist in der DIN EN ISO 12631:2013-01 (1) festgelegt. Die Norm stellt dafür zwei Berechnungsverfahren zur Verfügung: das vereinfachte Beurteilungsverfahren und das Verfahren mit Beurteilung der einzelnen Komponenten.

Die Bezeichnungen sind etwas irreführend: das vereinfachte Verfahren besteht aus detaillierten Computerberechnungen der Wärmeübertragung durch die Fassadenkonstruktion und ist meist aufwändiger als das Verfahren mit Beurteilung der einzelnen Komponenten.

In der Praxis ist das vereinfachte Verfahren vor allem in fortgeschrittenen Planungsphasen sinnvoll. Mit ihm lassen sich auch Sonderfälle wie nichttypische Fassadenbereiche, lokale Durchdringungen und individuelle Ausführungen einzelner Fassadenkomponenten genauer untersuchen. Das Verfahren mit Beurteilung der einzelnen Komponenten hingegen ist in der Entwurfsphase sehr hilfreich, da sich mit relativ geringem Aufwand größere Geometrie- oder Komponentenänderungen vornehmen lassen.

Der U-Wert der Vorhangfassade (kurz: Ucw) nach dem Verfahren mit Beurteilung der einzelnen Komponenten ergibt sich nach der folgenden, zunächst kompliziert aussehenden, letztlich aber einfachen Formel:

Ucw = (ΣAg×Ug + ΣAp×Up + ΣAf×Uf + ΣAm×Um + ΣAt×Ut + Σlf,g×Ψf,g + Σlm,g×Ψm,g + Σlt,g×Ψt,g + Σlp×Ψp + Σlm,f×Ψm,f + Σlt,f×Ψt,f) / Acw

dabei sind:
  • A: Fläche [m²]
  • U: Wärmedurchgangskoeffizient [W/(m²K)]
  • l: Länge [m]
  • Ψ : längenbezogener Wärmedurchgangskoeffizient infolge der kombinierten thermischen Wirkungen [W/(mK)]
die tiefgestellten Zeichen bedeuten:
  • cw: Vorhangfassade (curtain wall)
  • g: Glas (glazing)
  • p: Paneel (panel)
  • f: Rahmen (frame)
  • m: Pfosten (mullion)
  • t: Riegel (transom)

Das folgende Schaubild verdeutlicht die Bedeutung der einzelnen U- und Ψ-Werte:

U- und Ψ-Werte: schematischer Schnitt durch eine Vorhangfassade
Entsprechend der obigen Formel werden also die U-Werte der einzelnen Fassadenkomponenten mit den entsprechenden Flächen und die Ψ-Werte mit den entsprechenden Längen multipliziert. Beides zusammen wird dann durch die gesamte Fassadenfläche dividiert. Die obige Formel lässt sich daher wie folgt zusammenfassen:

Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw

Letztendlich werden also die Wärmedurchgangskennzahlen der einzelnen Komponenten entsprechend ihres flächenmäßigen Anteils gewichtet, wobei mit dem Ψ-Wert noch die Wechselwirkung zwischen sich berührenden Komponenten berücksichtigt wird.

Im Wesentlichen gibt es daher 2 Faktorengruppen bei der Berechnung des Wärmedurchgangs: physikalische Faktoren und geometrische Faktoren. Oder anders ausgedrückt: es gibt einerseits technische und andererseits gestalterische Aspekte (hier zeigt sich übrigens wieder die Schnittstelle zwischen Gestaltung und Technik, auf die schon der Titel des Blogs hindeutet).

Wie sieht eine "typische" Vorhangfassade aus?

Um zu möglichst allgemeingültigen Aussagen über die Einflussmöglichkeiten beim Wärmeschutz von Vorhangfassaden zu gelangen, ist es sinnvoll, eine möglichst allgemeingültige Fassade als Untersuchungsgegenstand auszuwählen. Wie aber sieht eine solche Vorhangfassade aus?

Das klassische Einsatzgebiet von Vorhangfassaden ist das Bürogebäude. Typische Fassadenraster für Bürogebäude sind laut Eugene Kohn und Paul Katz 1,5 m in den USA (in älteren Gebäuden auch weniger), 1,6 m bzw. 1,8 m in Japan und 1,2 m bzw. 1,5 m in Europa und Asien. Typische Geschosshöhen in Bürohochhäusern sind demnach 4,0 m bis 4,2 m in den USA und Asien bzw. 3,75 m in Deutschland und Frankreich (2).

Eine möglichst allgemeingültige Fassadenaufteilung - sozusagen der kleinste globale Nenner eines Fassaden-Layouts -  könnte demnach folgendermaßen aussehen:


Die horizontale Aufteilung ist hierbei ebenfalls möglichst einfach gehalten: es gibt einen opaken Bereich (hier 1,6 m für Geschossdecke + Installationsebene + Brüstungsbereich) sowie einen verglasten Bereich (hier 2,4 m Höhe). Als Profilbreite wird 50 mm angenommen. Hinzu kommt noch ein öffenbares Einsatzelement mit einer Rahmenbreite von 80 mm.

Wie oben gesehen, wird der U-Wert der Vorhangfassade zu einem großen Teil von den Flächen A der einzelnen Fassadenkomponenten und den Längen l der Berührungsbereiche zweier Komponenten bestimmt. Daher scheint es sinnvoll, sich diese Werte und ihren prozentualen Anteil an der Fassade ein wenig genauer anzuschauen. In der folgenden Grafik sind die Flächen der einzelnen Fassadenkomponenten unseres Referenz-Fassadenfeldes farbig dargestellt.



Die Flächen A und der prozentuale Anteil an der Gesamtfassade sind:


Wie erwartet machen die Glas- und Paneelflächen Ag und Ap mit fast 90 % den Großteil der Fassadenfläche aus. Aber auch die Fassadenprofile (Af, Am, At) kommen trotz der relativ schlanken Profilbreiten immerhin auf eine Fläche von fast 1,3 m² pro Fassadenfeld.

In der folgenden Grafik zeigt nochmals die Referenzfassade. Diesmal sind die Längen l an den Berührungsbereichen zweier Fassadenkomponenten farbig hervorgehoben.


Die Längen l und ihr prozentualer Anteil sind:


Trotz der relativ einfachen Aufteilung des Fassadenfeldes mit wenigen Profilen ergibt die Summe der Längen l immerhin über 34 m. Besonders stark ins Gewicht fällt der Bereich des Einsatzelementes, da hier nicht nur die Berührungsbereiche zwischen Rahmen und Glas (lf,g) sondern auch zwischen Pfosten bzw. Riegel und Rahmen (lm,f und lt,f) auftreten.

Nachdem die Geometrie unseres Referenz-Fassadenfeldes nun festgelegt ist, fehlen uns für die Ermittlung des Ucw-Wertes noch die U- und Ψ-Werte der einzelnen Fassadenbestandteile. Mehr dazu im nächsten Post...

Literatur

(1) DIN EN ISO 12631:2013-01, Wärmetechnisches Verhalten von Vorhangfassaden - Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten (ISO 12631:2012)
(2) Vgl.  Kohn, A. Eugene; Katz, Paul: Building Type Basics for Office Buildings, New York 2002, S. 35 f.