Sonntag, 8. Februar 2015

U-Wert-Optimierung von Vorhangfassaden - Teil 1


Gut gedämmte Fassaden gehören zu den wichtigsten Bestandteilen eines energieeffizienten Gebäudekonzepts. Um den ständig steigenden Anforderungen an Fassaden gerecht zu werden, bedarf es einer wärmeschutzmäßigen Optimierung aller Fassadenkomponenten bereits in der Planungsphase. In diesem und den folgenden Posts möchte ich einige Möglichkeiten der thermischen Fassadenoptimierung aufzeigen.

 
Meine Beschäftigung mit dem Thema hat einen konkreten Anlass: in einem von mir aktuell bearbeiteten Projekt in Mitteleuropa wird für die Vorhangfassade ein U-Wert von unter 0,65 W/(m²K) vorgeschrieben. Diesen niedrigen Wert zu erreichen, hat sich als ziemlich schwierig herausgestellt. Im folgenden möchte ich mich daher näher mit den Einflussmöglichkeiten, Stellschrauben und Spielräumen bei der thermischen Optimierung von Vorhangfassaden auseinandersetzen. Doch zunächst ein paar Grundlagen...

Ucw-Wert: Zwei Berechnungsverfahren

Die entscheidende Größe des (winterlichen) Wärmeschutzes einer Fassade ist der Wärmedurchgangskoeffizient oder U-Wert. Die Berechnung des U-Wertes für Vorhangfassaden ist in der DIN EN ISO 12631:2013-01 (1) festgelegt. Die Norm stellt dafür zwei Berechnungsverfahren zur Verfügung: das vereinfachte Beurteilungsverfahren und das Verfahren mit Beurteilung der einzelnen Komponenten.

Die Bezeichnungen sind etwas irreführend: das vereinfachte Verfahren besteht aus detaillierten Computerberechnungen der Wärmeübertragung durch die Fassadenkonstruktion und ist meist aufwändiger als das Verfahren mit Beurteilung der einzelnen Komponenten.

In der Praxis ist das vereinfachte Verfahren vor allem in fortgeschrittenen Planungsphasen sinnvoll. Mit ihm lassen sich auch Sonderfälle wie nichttypische Fassadenbereiche, lokale Durchdringungen und individuelle Ausführungen einzelner Fassadenkomponenten genauer untersuchen. Das Verfahren mit Beurteilung der einzelnen Komponenten hingegen ist in der Entwurfsphase sehr hilfreich, da sich mit relativ geringem Aufwand größere Geometrie- oder Komponentenänderungen vornehmen lassen.

Der U-Wert der Vorhangfassade (kurz: Ucw) nach dem Verfahren mit Beurteilung der einzelnen Komponenten ergibt sich nach der folgenden, zunächst kompliziert aussehenden, letztlich aber einfachen Formel:

Ucw = (ΣAg×Ug + ΣAp×Up + ΣAf×Uf + ΣAm×Um + ΣAt×Ut + Σlf,g×Ψf,g + Σlm,g×Ψm,g + Σlt,g×Ψt,g + Σlp×Ψp + Σlm,f×Ψm,f + Σlt,f×Ψt,f) / Acw

dabei sind:
  • A: Fläche [m²]
  • U: Wärmedurchgangskoeffizient [W/(m²K)]
  • l: Länge [m]
  • Ψ : längenbezogener Wärmedurchgangskoeffizient infolge der kombinierten thermischen Wirkungen [W/(mK)]
die tiefgestellten Zeichen bedeuten:
  • cw: Vorhangfassade (curtain wall)
  • g: Glas (glazing)
  • p: Paneel (panel)
  • f: Rahmen (frame)
  • m: Pfosten (mullion)
  • t: Riegel (transom)

Das folgende Schaubild verdeutlicht die Bedeutung der einzelnen U- und Ψ-Werte:

U- und Ψ-Werte: schematischer Schnitt durch eine Vorhangfassade
Entsprechend der obigen Formel werden also die U-Werte der einzelnen Fassadenkomponenten mit den entsprechenden Flächen und die Ψ-Werte mit den entsprechenden Längen multipliziert. Beides zusammen wird dann durch die gesamte Fassadenfläche dividiert. Die obige Formel lässt sich daher wie folgt zusammenfassen:

Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw

Letztendlich werden also die Wärmedurchgangskennzahlen der einzelnen Komponenten entsprechend ihres flächenmäßigen Anteils gewichtet, wobei mit dem Ψ-Wert noch die Wechselwirkung zwischen sich berührenden Komponenten berücksichtigt wird.

Im Wesentlichen gibt es daher 2 Faktorengruppen bei der Berechnung des Wärmedurchgangs: physikalische Faktoren und geometrische Faktoren. Oder anders ausgedrückt: es gibt einerseits technische und andererseits gestalterische Aspekte (hier zeigt sich übrigens wieder die Schnittstelle zwischen Gestaltung und Technik, auf die schon der Titel des Blogs hindeutet).

Wie sieht eine "typische" Vorhangfassade aus?

Um zu möglichst allgemeingültigen Aussagen über die Einflussmöglichkeiten beim Wärmeschutz von Vorhangfassaden zu gelangen, ist es sinnvoll, eine möglichst allgemeingültige Fassade als Untersuchungsgegenstand auszuwählen. Wie aber sieht eine solche Vorhangfassade aus?

Das klassische Einsatzgebiet von Vorhangfassaden ist das Bürogebäude. Typische Fassadenraster für Bürogebäude sind laut Eugene Kohn und Paul Katz 1,5 m in den USA (in älteren Gebäuden auch weniger), 1,6 m bzw. 1,8 m in Japan und 1,2 m bzw. 1,5 m in Europa und Asien. Typische Geschosshöhen in Bürohochhäusern sind demnach 4,0 m bis 4,2 m in den USA und Asien bzw. 3,75 m in Deutschland und Frankreich (2).

Eine möglichst allgemeingültige Fassadenaufteilung - sozusagen der kleinste globale Nenner eines Fassaden-Layouts -  könnte demnach folgendermaßen aussehen:


Die horizontale Aufteilung ist hierbei ebenfalls möglichst einfach gehalten: es gibt einen opaken Bereich (hier 1,6 m für Geschossdecke + Installationsebene + Brüstungsbereich) sowie einen verglasten Bereich (hier 2,4 m Höhe). Als Profilbreite wird 50 mm angenommen. Hinzu kommt noch ein öffenbares Einsatzelement mit einer Rahmenbreite von 80 mm.

Wie oben gesehen, wird der U-Wert der Vorhangfassade zu einem großen Teil von den Flächen A der einzelnen Fassadenkomponenten und den Längen l der Berührungsbereiche zweier Komponenten bestimmt. Daher scheint es sinnvoll, sich diese Werte und ihren prozentualen Anteil an der Fassade ein wenig genauer anzuschauen. In der folgenden Grafik sind die Flächen der einzelnen Fassadenkomponenten unseres Referenz-Fassadenfeldes farbig dargestellt.



Die Flächen A und der prozentuale Anteil an der Gesamtfassade sind:


Wie erwartet machen die Glas- und Paneelflächen Ag und Ap mit fast 90 % den Großteil der Fassadenfläche aus. Aber auch die Fassadenprofile (Af, Am, At) kommen trotz der relativ schlanken Profilbreiten immerhin auf eine Fläche von fast 1,3 m² pro Fassadenfeld.

In der folgenden Grafik zeigt nochmals die Referenzfassade. Diesmal sind die Längen l an den Berührungsbereichen zweier Fassadenkomponenten farbig hervorgehoben.


Die Längen l und ihr prozentualer Anteil sind:


Trotz der relativ einfachen Aufteilung des Fassadenfeldes mit wenigen Profilen ergibt die Summe der Längen l immerhin über 34 m. Besonders stark ins Gewicht fällt der Bereich des Einsatzelementes, da hier nicht nur die Berührungsbereiche zwischen Rahmen und Glas (lf,g) sondern auch zwischen Pfosten bzw. Riegel und Rahmen (lm,f und lt,f) auftreten.

Nachdem die Geometrie unseres Referenz-Fassadenfeldes nun festgelegt ist, fehlen uns für die Ermittlung des Ucw-Wertes noch die U- und Ψ-Werte der einzelnen Fassadenbestandteile. Mehr dazu im nächsten Post...

Literatur

(1) DIN EN ISO 12631:2013-01, Wärmetechnisches Verhalten von Vorhangfassaden - Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten (ISO 12631:2012)
(2) Vgl.  Kohn, A. Eugene; Katz, Paul: Building Type Basics for Office Buildings, New York 2002, S. 35 f.

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