Freitag, 26. Dezember 2014

Energieeffiziente Fassaden für Tropen und Subtropen

 Mit der Verlagerung des Wirtschaftswachstums finden sich viele der aktuellen Großbauprojekte in den sogenannten Schwellenländern. Die meisten dieser aufstrebenden Wirtschaftsnationen liegen in Regionen mit tropischem oder subtropischem Klima. Grund genug, sich mit der Planung von energieeffizienten Fassaden in heißen Klimaten näher zu befassen.




Viele aufstrebende Wirtschaftsnationen wie Indien, Brasilien und weite Teile Chinas befinden sich in den Tropen und Subtropen. Mit dem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum dieser Regionen geht jedoch nicht nur ein steigender Energiebedarf, sondern auch die Gefahr einer weiteren Verknappung der Energieressourcen und fortschreitender Umweltzerstörung einher.

Gebäude zählen zu den Hauptverursachern von Emissionen. In Europa sind sie für ca. 40% des gesamten Energieverbrauchs verantwortlich. Energieeffiziente Gebäudekonzepte können daher entscheidend zur Reduktion negativer ökologischer Auswirkungen beitragen. Die Fassade als Klimagrenze zwischen innen und außen hat hierbei eine Schlüsselrolle.

Wie aber könnte eine klimagerechte und damit energiesparende Fassadenkonzeption für heiße Klimate aussehen? Viele moderne Bauwerke in Schwellenländern kennzeichnet nur allzu oft eine unreflektierte Übertragung westlicher Standards ohne Anpassung an das lokale Klima.

 

Traditionelle Bauten als Vorbild

Ein vielversprechender Ansatz ist die Untersuchung traditioneller Bauten in Tropen und Subtropen (1). Den Menschen früherer Jahrhunderte war der Zugang zu heutigen Bautechniken und Energieressourcen noch nicht möglich. Zur Schaffung eines behaglichen Raumklimas mussten sie daher auf möglichst energiesparende Konzepte zurückgreifen.

Regionen mit heißem Klima lassen sich jedoch nicht über einen Kamm scheren. Um den vielfältigen Klimaelementen und -faktoren gerecht zu werden, bietet sich eine Dreiteilung in feuchtheiße, trockenheiße und subtropische Klimate an.

Feuchtheiße Klimate liegen in Äquatornähe und zeichnen sich durch einen meist bedeckten Himmel, hohe Luftfeuchtigkeit und häufige Niederschläge aus. Es herrschen hohe Temperaturen mit geringen tages- und jahreszeitlichen Schwankungen. Die traditionellen Gebäude dieser Klimaregion weisen viele bauliche Übereinstimmungen auf. So sind die Fassaden meist tief strukturiert und aus Materialien mit geringem Wärmespeichervermögen wie Holz, Bambus oder Gras gefertigt. Oft bestehen sie aus halboffenem, winddurchlässigem Flechtwerk, was eine optimale Querlüftung der Innenräume gewährleistet. Dachüberstände und aufgeständerte Gebäudekörper bieten zudem verschattete, durchlüftete Aufenthaltsräume im Freien. Die meist steilen Sattel- oder Zeltdächer haben Belüftungsöffnungen und teils eine zweischalige Konstruktion, die als Klimapuffer fungiert.
Mashrabiya in Kairo: kleine Fassadenöffnungen, helle, reflektierende Oberflächen und transluzente Verschattungen reduzieren den Energieeintrag durch das Sonnenlicht
Trockenheiße Klimaregionen hingegen weisen einen meist klaren Himmel mit starker Sonneneinstrahlung, geringer Luftfeuchtigkeit und wenig Niederschlägen auf. Die großen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht werden genutzt, um mittels nächtlicher Lüftung die Tragstruktur der Gebäude zu kühlen. Die Gebäude sind daher meist in Massivbauweise aus Materialien mit hohem Wärmespeichervermögen wie Lehm und Naturstein errichtet. Kleine Fassadenöffnungen, helle reflektierende Fassadenoberflächen und transluzente Verschattungen wie der traditionelle arabische Mashrabiya reduzieren den Energieeintrag durch das Sonnenlicht.

Die typischen Bauformen der feuchtheißen und der trockenheißen Klimazonen lassen sich - oft in abgeschwächter Form - auch in den subtropischen Klimaregionen finden.

 

Klimatische Gebäudezonierung

Allen heißen Klimazonen gemein ist die häufig anzutreffende klimatische Zonierung der Gebäude. Diese Zonierung kann konzentrisch oder linear angelegt sein. Bei der konzentrischen Zonierung werden die zentralen Haupträume zwiebelschalenartig von umgebenden Räumen vor einer schnellen Erwärmung im Tagesverlauf geschützt. Bei der linearen Zonierung sind die Gebäude entlang der Ost-West-Achse ausgerichtet, mit den Hauptfassaden nach Norden und Süden zeigend. Die Fassaden der Ost- und Westseiten sind geschlossen und klein gehalten, um ein Aufheizen der Gebäude durch die tiefstehende Morgen- und Abendsonne zu verringern.

Klimagerechte Fassadenkonzeption: Justizpalast in Chandigarh von Le Corbusier
Der Justizpalast in Chandigarh (1961) des Architekten Le Corbusier ist ein gutes Beispiel für die gelungene Umsetzung traditioneller Fassadenkonzepte zur Energieeinsparung. Der Baukörper ist mit seinen zwei - durch vorgesetzte Lamellen geschützten – verglasten Hauptfassaden nach Norden und Süden gerichtet. Die Ost- und Westfassaden sind schmal und geschlossen. Der solare Wärmegewinn wird somit minimiert. Die Hauptwärmelast durch Sonnenstrahlung trägt das Dach, welches durch die Doppelschalenkonstruktion effektiv ventiliert wird.

 

Anforderungen an moderne Gebäude

Traditionelle Konzepte können jedoch nicht immer eine Antwort auf die Herausforderungen moderner Gesellschaften geben. Zunehmende Urbanisierung sowie neue Wohn- und Arbeitsformen verlangen nach neuen Gebäudetypen. Hinzu kommen neue Fassadenmaterialien und moderne Gebäudetechnik wie großflächige Glasfassaden oder der Einsatz von Klimaanlagen.

Klimaanlagen sind für einen Großteil des Energieverbrauchs in modernen Gebäuden der Tropen und Subtropen verantwortlich. Aufgrund steigender Komfortansprüche wird ihr Einsatz weiter zunehmen. Dies wiederum birgt die Gefahr, dass die Bewohner heißer Klimaregionen zunehmend ihr Adaptionsvermögen an das natürlich vorhandene (Außen-) Klima verlieren. Untersuchungen zeigen, dass sich die psychologische Anpassung der Nutzer durch den Einsatz von Klimaanlagen verändert (2). Während in klimatisierten Räumen der Behaglichkeitsbereich bereits bei rund 24°C endet, werden in natürlich belüfteten Räumen bei 33°C Außentemperatur Innentemperaturen von 30°C noch von über 90% der Nutzer als behaglich empfunden.

Der Energieverbrauch von Klimaanlagen zum Kühlen und Entfeuchten von Gebäuden ist in den einzelnen Klimazonen zudem extrem unterschiedlich. Am höchsten ist er aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit und der warmen Nächte in den feuchtheißen Zonen. Thermische Simulationen anhand eines klimatisierten Referenzbüroraumes zeigen, dass der Jahresenergiebedarf zum Kühlen und Entfeuchten je nach Fenstergröße in Singapur (feuchtheißes Klima) zwei bis dreimal so hoch ist wie in Kairo (trockenheiß). Verglichen mit Tokio (subtropisches Klima) ist der Energiebedarf sogar ca. fünfmal höher (3).

 

Feuchtheiße Tropen: die Herausforderung der Zukunft

Doch nicht nur aufgrund des wesentlich höheren Energieverbrauchs sind moderne Gebäude in feuchtheißen Klimaregionen als problematisch anzusehen. Hinzu kommt, dass sich viele energieeffiziente Konzepte wie die Nutzung der Nachtlüftung zu Kühlzwecken hier nicht sinnvoll einsetzen lassen. Auch der Einsatz von Photovoltaikanlagen zur Energiegewinnung (z. B für die solare Klimatisierung) ist wegen des oft bedeckten Himmels nur beschränkt möglich. Als Lösungsansätze bieten sich daher vor allem die Rückbesinnung auf das Klimaadaptionsvermögen des Menschen, natürlich belüftete Räume und die Ausbildung von Gebäudezonen mit unterschiedlichen Behaglichkeitsniveaus nach dem Zwiebelschalenprinzip an. Bei zwingend geforderter Klimatisierung sollten möglichst luftdichte und wärmegedämmte Außenfassaden zur Anwendung kommen. Der Einsatz von Innendämmungen bei gekühlten Innenräumen und heißem Außenklima erscheint als vielversprechender, wenn auch weitgehend unerforschter Ansatz.

 

Fazit

Strategien der traditionellen Architektur – von tiefstrukturierten Fassaden mit effektiven Verschattungssystemen über die klimatische Zonierung bis zur natürlichen Lüftung – eigenen sich hervorragend zur Energieeinsparung auch bei modernen Gebäuden. In jedem Fall entscheidend sind die Weichenstellungen zu Beginn des Entwurfsprozesses. Bauherr, Architekt und Fassadenplaner geben hierbei gemeinsam die Richtung für ein gelungenes Energiekonzept vor.

 

Literatur und Abbildungen

(1) Vgl. Lauber, Wolfgang: Tropical Architecture, München u. a. 2005
(2) Brager, Gail S.; de Dear, Richard: Climate, Comfort and Natural Ventilation, Berkeley 2001, S. 5 f.
(3) Junghans, Lars: Klimagerechte Bürohausfassaden, Zürich 2005, S. 70 ff.

Anmerkung: Dieser Artikel wurde veröffentlicht in der Zeitschrift: Fassade - Technik und Architektur, Ausgabe 1/ 2013 (Orginalartikel als pdf-download hier)