Dienstag, 10. Februar 2015

U-Wert-Optimierung von Vorhangfassaden - Teil 2


Im letzten Post habe ich einige Grundlagen der Ucw-Wert-Berechnung beschrieben und die Geometrie des Referenz-Fassadenfeldes festgelegt. Nun sollen die die U- und Ψ-Werte der einzelnen Fassaden-Bestandteile definiert und der  U-Wert der Gesamtfassade berechnet werden.  Anschließend wird der Frage nachgegangen, wie weit sich der Ucw-Wert durch die wärmetechnische Optimierung einzelner Fassadenkomponenten senken lässt.
 
Viele Systemanbieter von Aluminium-Pfosten-Riegel-Konstruktionen bieten eine Standardversion mit geringerer Wärmedämmung und eine hochwärmegedämmte, teilweise als "Passivhaus-tauglich" bezeichnete Version ihrer Profilsysteme an. Ähnliches gilt für Verglasungen: auch hier kann man zwischen Standard-Zweischeiben- und hochwärmedämmenden Dreischeiben-Isolierverglasungen unterscheiden. Für unser Referenz-Fassadenfeld soll daher zunächst eine Ausführung mit "Standard"-Komponenten und später eine thermisch optimierte Version untersucht werden.

Ucw-Wert: die "Standard"-Version

Tabelle A.1 in EN ISO 12631:2012 (1) bietet eine Leitlinie zur Berechnung des Ucw-Wertes. Darin wird beschrieben, wie man an die für die Ucw-Berechnung nötigen U- und Ψ-Werte der einzelnen Fassadenkomponenten gelangt. In den meisten Fällen gibt es zwei Möglichkeiten zur Ermittlung dieser Werte: man kann Werte aus entsprechenden Tabellen der Norm entnehmen, oder man ermittelt die Werte nach in der Norm festgelegten Berechnungs- oder Bemessungsverfahren (meist geschieht dies durch die Produkthersteller).

Die Angaben in den Norm-Tabellen sind in der Regel auf der sicheren Seite angesiedelt. Der berechnete oder bemessene Wert für ein bestimmtes Produkt gemäß Herstellerangaben ist meist besser.

Rahmen
Gemäß der oben erwähnten Tabelle A.1  können die Werte für die Rahmenprofile Uf, Um und Ut nach ISO 10077-2:2012 berechnet oder EN 12412-2:2003 gemessen werden. Alle größeren Hersteller von Profilsystemen stellen die entsprechenden nach diesen Normen ermittelten U-Werte zur Verfügung.

Der U-Wert für ein bestimmtes Pfosten- oder Riegelprofil ist von der Einbaustärke der Ausfachungen und von der Tiefe des raumseitigen Tragprofils abhängig. Bei einer Einbaustärke von z.B. 28 mm (2-Scheiben-Isolierverglasung) und einer Profiltiefe von ca. 150 mm kann man einen Wert von ungefähr 2,1 W/(m²K) für Ut und Um ansetzen (2). Dies gilt für Standardausführungen ohne zusätzliche Wärmedämmmaßnahmen. Die Uf-Werte von Standard-Rahmenprofilen für Einsatzelemente bewegen sich je nach Hersteller bzw. Produkt um 1,8 W/(m²K). Für unsere Referenzfassade nehmen wir daher folgende Werte an:
-> Ut; Um:  2,1 W/(m²K)
-> Uf:  1,8 W/(m²K)

Die Werte für Ψm,f und Ψt,f können in Tabelle B.6, EN ISO 12631:2012 abgelesen oder nach ISO 10077-2:2012 berechnet werden. Tabelle B.6 unterscheidet insgesamt fünf Typen von Verbindungsbereichen und weist diesen Ψm,f- und Ψt,f-Werte von 0,05 bis 0,11 W/(mK) zu. Für unseren Fall nehmen wir einen mittleren Wert von 0,07 W/(m²K) an.
-> Ψm,f; Ψt,f: 0,07 W/(mK)

Verglasung
Die Werte für Ug können in ISO 10077-1:2006 abgelesen werden oder nach EN 673:2011 berechnet bzw. nach EN 674:2011 und EN 675:2011 gemessen werden. Für eine 2-Scheiben-Isolierverglasung kann man von Ug: 1,1 W/(m²K) als Stand der Technik ausgehen.
-> Ug: 1,1 W/(m²K)

Die Werte für Ψf,g, Ψm,g, und Ψt,g können in den Tabellen B.1, B.2, B.3 und B.4 abgelesen oder nach 10077-2:2012 berechnet werden. Die Norm unterscheidet zwischen "üblichen" und "wärmetechnisch verbesserten" Abstandhaltern für Verglasungen. Darüber hinaus sind die Tabellenwerte abhängig von der Ausführungsart der angrenzenden Profile und der Verglasung. Bei Verwendung von üblichen Abstandhaltern und beschichtetem Glas mit niedrigem Emissionsgrad gelten für Aluminiumpfosten und -riegel Ψm,g- und Ψt,g-Werte von 0,11 W/(mK). Für einen Metallrahmen mit wärmetechnischer Trennung gilt ein Ψf,g-Wert von ebenfalls 0,11 W/(mK). 
-> Ψm,g; Ψt,g; Ψf,g: 0,11 W/(mK)

Paneele
Die Werte für Up können nach ISO 6946: 2007 berechnet werden. Da die Dicke der Dämmschicht im Paneel entscheidend für den Up-Wert ist, können wir als Annäherung die äußeren und inneren Metallschalen sowie eventuelle weitere Bestandteile des Paneels vernachlässigen. Bei einem Dämmstoff von 140 mm Dicke und einer Wärmeleitfähigkeit von λ: 0,035 W/(mK) gelangen wir zu  einem U-Wert von 0,24 W/(m²K).
-> Up: 0,24 W/(m²K)

Die Werte für Ψp können in Tabelle B.5 abgelesen oder nach 10077-2:2012 berechnet werden. Ψp ist nach Tabelle B.5 abhängig von der Wärmeleitfähigkeit des Abstandhalters, dem Paneeltyp (Typ 1: mit luftgefülltem Zwischenraum; Typ 2: ohne luftgefüllten Zwischenraum), sowie den Materialien der innenliegenden und außenseitigen Verkleidung. So ergibt sich bei Typ 2 mit Aluminiumverkleidung innen und außen sowie Abstandhaltern mit λ: 0,2 W/(mK) ein Ψp-Wert von 0,2 W/(mK). 
-> Ψp: 0,2 W/(mK)


Ermittlung des Ucw-Wertes
Damit sind alle nötigen Angaben für die Berechnung der Referenzfassade festgelegt. In den folgenden beiden Tabellen werden nun die Teilergebnisse für ΣA×U und für ΣΨ×l ermittelt.


Der Ucw-Wert für die Fassade mit Standardkomponenten ergibt somit:

Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw
Ucw = (10,434 W/K + 4,534 W/K) / 12,00 m²
Ucw = 1,2 W/(m²K)  (1,247)

Ucw-Wert: die thermisch optimierte Version


Rahmen
Hochwärmegedämmte Profile verfügen in der Regel über zusätzliche Dämmkörper im Bereich zwischen raumseitigen Profil und Andruckleiste. Hier können die Um- und Ut-Werte bei einer 3-Scheiben-Isolierverglasung mit z. B. 44 mm Einbaustärke ungefähr 0,8 W/(m²K) betragen. Aufgrund der ständigen Weiterentwicklung können diese wie auch viele der anderen hier genannten Werte aber bald schon wieder veraltet sein.
-> Ut; Um:  0,8 W/(m²K)

Durch den Einbau zusätzlicher Einschub- und Glasfalzdämmungen in die Rahmenprofile der Einsatzelemente kann auch der Uf-Wert entscheidend verringert werden. Die Uf-Werte der meisten Hersteller für hochwärmegedämmte Profile bewegen sich im Moment im Bereich zwischen 1,0 bis 1,2 W/(m²K).
-> Uf:  1,1 W/(m²K)

Für Ψm,f und Ψt,f gibt es wie beschrieben neben den Werten aus Tabelle B.6, EN ISO 12631:2012 auch die Herstellerangaben zu den jeweiligen Einspannprofilen nach Berechnungen gemäß ISO 10077-2:2012 . Hier sind Werte um die 0,025 W/(mK) möglich. 
-> Ψm,f; Ψt,f: 0,025 W/(mK)

Verglasung
Ug-Werte für 3-Scheiben-Isolierverglasungen liegen je nach verwendeten Beschichtungen und Scheibenzwischenraum-Füllungen zwischen 0,5 und 0,7 W/(m²K).
-> Ug: 0,6 W/(m²K)

Ψf,g, Ψm,g, Ψt,g können ebenfalls durch Berechnung nach EN ISO 10077-2:2012 bestimmt werden. Für thermisch verbesserte Randverbünde verschiedener Hersteller hat der Arbeitskreis "Warme Kante" Datenblätter mit den entsprechenden Ψ-Werten veröffentlicht. Bei einer Dreischeiben-Isolierverglasung erreichen die Werte je nach Hersteller bis zu 0,030 W/(mK) für Gläser in Einspannelementen. 
-> Ψm,g; Ψt,g; Ψf,g: 0,04 W/(mK)

Paneele
Die Dicke gedämmter Fassadenpaneele wird in der Regel durch die Tiefe der Fassadenkonstruktion begrenzt. Bei Pfosten- und Riegelprofiltiefen von z. B. 150 mm kann daher die Dämmstoffdicke meist auch nicht mehr als ca. 150 mm betragen. Eine weitere Möglichkeit der Optimierung ist die Verwendung von Dämmstoffen mit geringerer Wärmeleitfähigkeit. Doch auch hier sind die Optimierungsmöglichkeiten begrenzt.

Einen Ausweg bietet die Verwendung von Vakuumisolationspaneelen (VIP). Der Gebrauch solcher Paneele hat sich bis dato noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Man kann jedoch davon ausgehen, dass diese Art der Dämmung in einigen Jahren gerade im Bereich von Vorhangfassaden weitere Verbreitung finden wird. Die Vorteile sind hier zum einen die Möglichkeit, Dämmpaneele zu verwenden, die die gleiche Dicke wie Glasscheiben haben. Zum anderen ist durch die festgelegten und durchgehenden Fassadenraster eine Konfektionierung ohne weitere Anpassung auf der Baustelle möglich.

Bei Vakuumisolationspaneelen, die der Dicke einer Dreischeiben-Isolierverglasung entsprechen, kann man von einem Up-Wert von 0,15 bis 0,2 W/(m²K) und einem Ψp-Wert von 0,02 W/(mK) ausgehen. Auch hier kann aufgrund der ständigen Weiterentwicklung dieser relativ neuen Paneelart in der nächsten Zeit mit weiteren Verbesserungen gerechnet werden. 
-> Up: 0,18  W/(m²K)
-> Ψp: 0,02 W/(mK)


Ermittlung des Ucw-Wertes
Somit sind auch für die thermisch optimierte Fassade alle nötigen Angaben zur Berechnung festgelegt. Die folgenden beiden Tabellen zeigen wieder die Teilergebnisse für ΣA×U und für ΣΨ×l.


Der Ucw-Wert für die Fassade mit thermisch optimierten Komponenten ergibt somit:

Ucw = (ΣA×U + ΣΨ×l) / Acw
Ucw = (5,742W/K + 1,012 W/K) / 12,00 m²
Ucw = 0,6 W/(m²K)  (0,563)

Fazit der technischen Optimierung

Der Ucw-Wert konnte mit dem Einsatz thermisch optimierter Komponenten im Vergleich zur Standardversion 1,2 auf 0,6 W/(m²K) glatt halbiert werden. Da nicht in allen Bereichen die bestmöglichen Werte eingesetzt wurden, kann man sogar davon ausgehen, dass auch ein Ucw-Wert von 0,5 W/(m²K) im Bereich des Möglichen ist.

Auffällig ist, dass der Gesamt-U-Wert der Fassade in beiden Fällen ähnlich oder gleich dem U-Wert des Glases ist. Der Ug-Wert kann also bei typischen Fassaden-Layouts, die dem hier dargestellten ähneln, als Anhaltspunkt für den Ucw-Wert der Gesamtfassade angenommen werden.

Die Verbesserungspotentiale scheinen zudem im Bereich der Ψ-Werte höher zu sein als bei den U-Werten. Vergleicht man die U-Werte zwischen Standard- und optimierter Version, so konnte hier ungefähr eine Halbierung der Werte erreicht werden. Bei den Ψ-Werten war jedoch sogar eine Reduktion auf weniger als ein Viertel möglich.

Bei den Einzelwerten mit dem größten Optimierungspotential stechen zum einen die Ut- und Uf-Werte (Verbesserung von 2,1 und 0,8 W/(m²K)), zum anderen der Ψp-Wert (Verbesserung um das Zehnfache von 0,2 auf 0,02 W/(mK)) hervor.

Wie oben angedeutet, stellt die wärmetechnische Verbesserung der Fassadenbestandteile nur eine Seite der U-Wert-Optimierung dar. Im nächsten Post werde ich mich daher näher mit der anderen Seite, der geometrischen Optimierung von Vorhangfassaden auseinandersetzen.

Literatur und Anmerkungen

(1) DIN EN ISO 12631:2013-01, Wärmetechnisches Verhalten von Vorhangfassaden - Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten (ISO 12631:2012)
(2) Für die Ermittlung der U- und Ψ-Werte wurden die aktuellen Aluminium-Profilsysteme der Marken Schüco, Wicona, Raico und Hueck verglichen (Stand: Februar 2015). Die Werte variieren teilweise je nach Hersteller und Produktlinie. Wo verschiedene Werte vorlagen, wurden Mittelwerte als Rechengrundlage angenommen.

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