Samstag, 17. Januar 2015

Skyline-Vergleich

Dieses Mal fällt mein Post etwas bildlastiger aus. Auf der Suche nach Skylines aus aller Welt bin ich auf eine Menge interessanter Fotos gestoßen, die ich hier zeigen möchte. Doch dieses Post dreht sich nicht nur um ein paar nette Skyline-Bilder. Es geht natürlich auch um Fassaden und den Stand klimagerechten Designs in der heutigen Architektur.



Toronto: winterkaltes Regenklima, beständig feucht Dfa/ Dfb (1)
Chicago: winterkaltes Regenklima, beständig feucht Dfa (2)

Ähnlich? Einzigartig?

Vielleicht haben Sie bereits bemerkt, dass die Photos entsprechend den Klimazonen der abgebildeten Städte angeordnet sind, von eher kalten (Toronto) bis zu tropischen Klimaten (Singapur). Die Bezeichnungen der Klimazonen und die dazugehörigen Buchstabenkombinationen basieren übrigens auf der effektiven Klimaklassifikation nach Köppen und Geiger, eines der weltweit meistgebrauchten Klima-Klassifikationssysteme.

Ich habe versucht, die abgebildeten Städte so ähnlich wie möglich erscheinen zu lassen: alle Fotos sind bei Tageslicht und gutem Wetter aufgenommen, mit Skylines, die sich hinter einer Wasserfläche erheben. Zusätzlich sind die Bilder nachbearbeitet und gestutzt, um den Motiven einen ähnlichen Maßstab zu verleihen.

Als kritisch eingestellter Betrachter könnte man einigen der dargestellten Stadtzentren eine gewisse Ausstauschbarkeit vorwerfen. Trotzdem sehen die abgebildeten Skylines vielleicht nur auf den ersten Blick ähnlich aus. Die eine oder andere der abgebildeten Städte können Sie wahrscheinlich ohne Schwierigkeiten anhand von charakteristischen Gebäuden erkennen.

Aber es lassen sich noch weitere Informationen aus den Fotos herauslesen, die charakteristisch für die abgebildeten Städte sind: Form, Größe, Farbe und Materialien der Gebäude geben Hinweise auf die Entstehungszeit oder auch auf die zur jeweiligen Zeit vor Ort vorherrschenden Architekturmoden. Oft lässt sich anhand der Fassadengestaltung und der Form der Gebäude sogar ihre Funktion ablesen (Wohnbauten, Bürogebäude, Aussichts-oder Fernsehtürme, usw.).
New York: warmes Regenklima, beständig feucht Cfa (3)

Schanghai: warmes Regenklima, beständig feucht Cfa (4)

Klimatische Anpassung

Aber wie steht es um die klimatische Anpassung der Gebäude, wie steht es um eine klimagerechte Architektur? Können Sie anhand der Gebäude- und Fassadengestaltung erkennen, in welchen Klimazonen sich die dargestellten Städte befinden? Geben Anzahl und Größe der Fenster Hinweise auf das vor Ort vorherrschende Klima? Oder das Verhältnis von offenen zu geschlossenen Fassadenflächen? Lassen sich für bestimmte Klimazonen typische Fassadenmaterialien identifizieren? Verfügen die Gebäude in heißen Klimaten über mehr Sonnenschutzvorrichtungen? Können Sie überhaupt irgendwelche Elemente an den dargestellten Gebäuden erkennen, die eine Anpassung an das Klima darstellen?

Die Antwort auf die meisten dieser Fragen dürfte negativ ausfallen. Klimagerechte Fassaden scheinen in der modernen Architektur ein weithin vernachlässigter Bereich zu sein (9).

Hong Kong: warmes Regenklima, wintertrocken Cwa (5)
Dubai: heißes Wüstenklima BWh (6)

Respiration exacte

Le Corbusier's Ausführungen zum von ihm geprägten Begriff der "respiration exacte" beschreiben diesen Sachverhalt äußerst treffend. In einer in Buenos Aires im Jahr 1929 gehaltenen Vorleseung hatte er unterscheidbare, an das jeweilige Klima angepasste Gebäudestile verworfen und stattdessen einen einzigen Haustyp für alle Länder propagiert, ein Haus mit 'exakter Atmung' (10).

Le Corbusier's Worte waren ohne Zweifel von einem starken Fortschrittsglauben geprägt, haben sich jedoch seitdem nur allzu sehr bewahrheitet. Die Errungenschaften der modernen Technik - in diesem Fall vor allem Klimaanlagen und künstliches Licht - scheinen den Bedarf nach einer klimagerechten Architektur eliminiert zu haben.

Überall auf der Welt werden Bauwerke nach demselben serienmäßigen 'Bausatz' aus Gebäuderahmen, Vorhangfassade, Hängedecke und Klimaanlage als "schnelle technische Lösung" errichtet (11). Sobald das Gebäude fertiggestellt und in Betrieb ist, muss der energieintensive Einsatz von Gebäudetechnik die Unzulänglichkeiten des architektonischen Designs ausgleichen. Erst in jüngerer Zeit, da die negativen Auswirkungen eines steigenden Energieverbrauchs mehr und mehr zu Tage treten, werden solche Konzepte zunehmend in Frage gestellt.
Abu Dhabi: heißes Wüstenklima BWh (7)
Singapur: tropisches Regenklima, beständig feucht Af (8)
Interessanterweise hat Le Corbusier mit seinen späteren Werken einen komplett anderen Weg eingeschlagen. Die Fassaden seiner Gebäude, die in den 1960er Jahren in Indien entstanden, weisen zahlreiche Elemente klimagerechten Designs auf. Viele der in diesen Gebäuden angewandten Strategien lassen sich auch in Bauwerken der traditionellen örtlichen Architektur finden (s. a. diesen Post).

Es scheint so, als ob das Konzept des klimagerechten Bauens in Gebäuden der traditionellen Architektur weiter entwickelt ist als in den meisten modernen Gebäuden. In einem meiner nächsten Posts werde ich näher auf einige klimagerechte Konzepte der traditionellen Architektur einzugehen.

Literaur und Abbildungen

(1) "From Hanlan's Point" von BriYYZ , CC-BY-SA-2.0 (verändert: nachbearbeitet, gestutzt)
(2) "Loop skyline from the lakefront, Chicago, IL, USA" von J. Crocker , Lizenzdetails
(3) "NYC Mini Cruise 2014" von Liz Novak , CC-BY-2.0 (verändert: nachbearbeitet, gestutzt)
(4) "Shanghai on the Bund The Pudong skyline" von Matt_Weibo, CC-BY-SA-2.0 (verändert: nachbearbeitet, gestutzt)
(5) "Hong Kong Skyline" von Daniele Cardone, CC-BY-2.0 (verändert: nachbearbeitet, gestutzt)
(6) "dubai-600870" von dbenthien, CC0-1.0 (verändert: nachbearbeitet, gestutzt)
(7) "Near Heritage Village @ Abu Dhabi" von Guilhem Vellut, CC-BY-2.0 (verändert: nachbearbeitet, gestutzt)
(8) "Singapore skyline" von Bryan Allison, CC-BY-SA-2.0 (verändert: nachbearbeitet, gestutzt)
(9) Vgl. Harmann, Ralph E.: Urban Space, Building Orientation and Design, S. 202 ff., in: Hindrichs, Dirk U., Daniels, Klaus (Hg.), Plusminus 20/ 40 Latitude. Sustainable Building Design in Tropical and Subtropical Regions,  Stuttgart u. a. 2007
(10) Vgl. Le Corbusier: Precisions sur un état présent de l'architectureet de l'urbanisme, Paris 1960, p. 64
(11) Vgl. Hawkes, Dean; Forster, Wayne: Energieeffizientes Bauen. Architektur, Technik, Ökologie, München 2002, S. 54 f.

Falls Sie moderne Beispiele klimagerechten Fassadendesigns kennen, schreiben Sie mir!

Montag, 5. Januar 2015

Gebäudegeometrie und Sonnenschutz

Außenliegender Sonnenschutz ist ohne Zweifel eine der effizientesten Maßnahmen zur Reduktion des solaren Energieeintrags. In den meisten Fällen werden dafür feste oder bewegliche Verschattungs-Elemente vor die verglasten Fassadenbereiche platziert. Eine clevere Alternative ist die Nutzung der Gebäudegeometrie als Sonnenschutz. Hier sind einige Beispiele.

 

 

Museu de Arte Contemporânea de Niterói, Brasilien

Der brasilianische Architekt Oscar Niemeyer (1907 - 2012) hat während seiner über siebzigjährigen Schaffenszeit mit zahlreichen Projekten die Gestaltungsmöglichkeiten von Gebäudehüllen in heißen Klimaten ausgelotet. Sein Umgang mit allen Spielarten sonnengeschützter Fassaden kann als virtuos bezeichnet werden. Das Museu de Arte Contemporânea de Niterói ist eines seiner jüngeren Projekte und wurde 1996 fertiggestellt.

Wie ein gelandetes UFO blickt das Museu de Arte Contemporânea de Niterói über die Guanabara Bucht (2)
Die Fassaden des Gebäudes sind so stark nach unten geneigt, dass sie den Sonnenstrahlen kaum mehr Angriffsflächen bieten. Gleichzeitig richten die geneigten Fassaden den Blick auf das unterhalb gelegene Panorama der Meeresküste. Der Energieeintrag durch die Sonnenstrahlung wird zusätzlich durch die Verwendung von dunkel getönten Absorptionsgläsern reduziert.

Die Hauptwärmelast durch Sonnenstrahlung trägt das Dach. Das Haustechnik-Geschoss direkt unterhalb des Daches dient darüber hinaus als klimatische Pufferzone zwischen Außenbereich und dem verglasten Hauptgeschoss.

Hanoi Museum, Vietnam

Die Fassade des Hanoi Museum vereint verschiedene Strategien des Sonnenschutzes (3)
Dieses Museum in Hanoi, Vietnam wurde vom deutschen Architekturbüro GMP entworfen und 2010 fertiggestellt. Die auskragenden Geschosse dienen als Sonnenschutz für das jeweils darunter liegende Geschoss. Das oberste Geschoss verschatten horizontale Aluminiumlamellen am Dachrand. Vor die Glasfassaden sind zusätzlich gitterförmige Elemente gesetzt, die an die traditionellen arabischen Mashrabiyas erinnern (s. a. diesen Post).

 

Zwei Beispiele aus den Siebzigern

Das Tempe Municipal Building hat die Gestalt einer umgedrehten Pyramide (4)
Das Rathaus von Tempe, Arizona stammt aus dem Jahr 1971 und wurde von den Architekten Michael Goodwin und Kemper Goodwin entworfen.  Die Entwurfsidee einer umgedrehten Pyramide tritt hier sehr deutlich zu Tage.

Wie bei allen gezeigten Beispielen in diesem Post ist die Dachfläche jeweils dem Großteil der Wärmelast durch Sonnenstrahlung ausgesetzt. Die nach unten geneigten Fassaden sind vor der hochstehenden Sonne durch die auskragenden oberen Bereiche geschützt. Zusätzlich bewirkt die Neigung eine geringere Transmission der Sonnenenergie durch die Verglasung.

Die Dallas City Hall wurde von I. M. Pei entworfen und 1978 fertiggestellt. Die Konzepte einer umgedrehten Stufen und "Nicht-Stufen"-Pyramide wurden in diesem Gebäude kombiniert.
Dallas City Hall von I. M. Pei (5)
Das Konzept der umgedrehten Pyramide scheint vor allen in den 70er Jahren nicht zuletzt aufgrund seiner formalen Expressivität sehr populär gewesen zu sein. Zahlreiche andere Gebäude mit ähnlicher Formgebung stammen aus dieser Zeit.

In diesen beiden Fällen - beide Gebäude befinden sich im Süden der Vereinigten Staaten - hat sich die Gebäudeform zweifellos auch positiv auf den Kühlenergieverbrauch ausgewirkt.

Update (2015-04-08)

Ein lieber Kollege aus alten Tagen (Danke, Mihail!) hat mich noch auf zwei weitere Beispiele hingewiesen, die gut zu den hier gezeigten passen.

Slovak radio building in Bratislava (6)
Das Gebäude des Slovakischen Rundfunks der Architekten Štefan Svetko, Štefan Ďurkovič and Barnabáš Kissling wurde 1983 fertiggestellt (begonnen wurde das Projekt bereits 1967). Der britische "Telegraph" hat das Gebäude in seine Liste der 30 hässlichsten Gebäude der Welt aufgenommen (7). Zusammen mit Bauten von Frank Gehry und MVRDV, die ebenfalls in dieser Liste erscheinen, befindet sich der Slovakische Rundfunk nicht einmal in schlechter Gesellschaft...

St. Petersburg Pier, Florida/ USA (8)
Ein weiteres Beispiel einer umgedrehten Pyramide ist der St. Petersburg Pier in Florida, USA. Auch wenn man es dem Gebäude nicht unbedingt ansieht, wurde es schon 1973 fertiggestellt (Architekt: William B. Harvard, Sr.). Leider bestehen offenbar Pläne, den "Pier" abzureißen und durch ein neues Gebäude zu ersetzen (9).

Abbildungen

(1) "Niterói Contemporary Art Museum" von Rosino, CC-BY-SA-2.0 (verändert: Verweiszahl ergänzt)
(2) "Niterói Contemporary Art Museum" von Rosino, CC-BY-SA-2.0
(3) "Hanoi Museum, Hanoi, Vietnam" von Daaé, public domain
(4) "The Tempe Municipal Building in Tempe, Arizona" von Visitor7, CC BY-SA 3.0
(5) "Side view of City Hall" von Daniel Lobo, CC BY 2.0
(6) "Slovak Radio" von Dushan Hanuska, CC BY 2.0 (verändert: gestutzt)
(7) Vgl. http://www.telegraph.co.uk/finance/property/pictures/9126031/The-worlds-30-ugliest-buildings.html?frame=2875010
(8) "st-petersburg-pier-1024x768-2653" von Texx Smith, CC BY 2.0
(9) Vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/St._Petersburg_Pier

Kennen Sie weitere Beispiele für die Kombination von Gebäudegeometrie und Sonnenschutz? Schreiben Sie mir davon!