Montag, 5. Januar 2015

Gebäudegeometrie und Sonnenschutz

Außenliegender Sonnenschutz ist ohne Zweifel eine der effizientesten Maßnahmen zur Reduktion des solaren Energieeintrags. In den meisten Fällen werden dafür feste oder bewegliche Verschattungs-Elemente vor die verglasten Fassadenbereiche platziert. Eine clevere Alternative ist die Nutzung der Gebäudegeometrie als Sonnenschutz. Hier sind einige Beispiele.

 

 

Museu de Arte Contemporânea de Niterói, Brasilien

Der brasilianische Architekt Oscar Niemeyer (1907 - 2012) hat während seiner über siebzigjährigen Schaffenszeit mit zahlreichen Projekten die Gestaltungsmöglichkeiten von Gebäudehüllen in heißen Klimaten ausgelotet. Sein Umgang mit allen Spielarten sonnengeschützter Fassaden kann als virtuos bezeichnet werden. Das Museu de Arte Contemporânea de Niterói ist eines seiner jüngeren Projekte und wurde 1996 fertiggestellt.

Wie ein gelandetes UFO blickt das Museu de Arte Contemporânea de Niterói über die Guanabara Bucht (2)
Die Fassaden des Gebäudes sind so stark nach unten geneigt, dass sie den Sonnenstrahlen kaum mehr Angriffsflächen bieten. Gleichzeitig richten die geneigten Fassaden den Blick auf das unterhalb gelegene Panorama der Meeresküste. Der Energieeintrag durch die Sonnenstrahlung wird zusätzlich durch die Verwendung von dunkel getönten Absorptionsgläsern reduziert.

Die Hauptwärmelast durch Sonnenstrahlung trägt das Dach. Das Haustechnik-Geschoss direkt unterhalb des Daches dient darüber hinaus als klimatische Pufferzone zwischen Außenbereich und dem verglasten Hauptgeschoss.

Hanoi Museum, Vietnam

Die Fassade des Hanoi Museum vereint verschiedene Strategien des Sonnenschutzes (3)
Dieses Museum in Hanoi, Vietnam wurde vom deutschen Architekturbüro GMP entworfen und 2010 fertiggestellt. Die auskragenden Geschosse dienen als Sonnenschutz für das jeweils darunter liegende Geschoss. Das oberste Geschoss verschatten horizontale Aluminiumlamellen am Dachrand. Vor die Glasfassaden sind zusätzlich gitterförmige Elemente gesetzt, die an die traditionellen arabischen Mashrabiyas erinnern (s. a. diesen Post).

 

Zwei Beispiele aus den Siebzigern

Das Tempe Municipal Building hat die Gestalt einer umgedrehten Pyramide (4)
Das Rathaus von Tempe, Arizona stammt aus dem Jahr 1971 und wurde von den Architekten Michael Goodwin und Kemper Goodwin entworfen.  Die Entwurfsidee einer umgedrehten Pyramide tritt hier sehr deutlich zu Tage.

Wie bei allen gezeigten Beispielen in diesem Post ist die Dachfläche jeweils dem Großteil der Wärmelast durch Sonnenstrahlung ausgesetzt. Die nach unten geneigten Fassaden sind vor der hochstehenden Sonne durch die auskragenden oberen Bereiche geschützt. Zusätzlich bewirkt die Neigung eine geringere Transmission der Sonnenenergie durch die Verglasung.

Die Dallas City Hall wurde von I. M. Pei entworfen und 1978 fertiggestellt. Die Konzepte einer umgedrehten Stufen und "Nicht-Stufen"-Pyramide wurden in diesem Gebäude kombiniert.
Dallas City Hall von I. M. Pei (5)
Das Konzept der umgedrehten Pyramide scheint vor allen in den 70er Jahren nicht zuletzt aufgrund seiner formalen Expressivität sehr populär gewesen zu sein. Zahlreiche andere Gebäude mit ähnlicher Formgebung stammen aus dieser Zeit.

In diesen beiden Fällen - beide Gebäude befinden sich im Süden der Vereinigten Staaten - hat sich die Gebäudeform zweifellos auch positiv auf den Kühlenergieverbrauch ausgewirkt.

Update (2015-04-08)

Ein lieber Kollege aus alten Tagen (Danke, Mihail!) hat mich noch auf zwei weitere Beispiele hingewiesen, die gut zu den hier gezeigten passen.

Slovak radio building in Bratislava (6)
Das Gebäude des Slovakischen Rundfunks der Architekten Štefan Svetko, Štefan Ďurkovič and Barnabáš Kissling wurde 1983 fertiggestellt (begonnen wurde das Projekt bereits 1967). Der britische "Telegraph" hat das Gebäude in seine Liste der 30 hässlichsten Gebäude der Welt aufgenommen (7). Zusammen mit Bauten von Frank Gehry und MVRDV, die ebenfalls in dieser Liste erscheinen, befindet sich der Slovakische Rundfunk nicht einmal in schlechter Gesellschaft...

St. Petersburg Pier, Florida/ USA (8)
Ein weiteres Beispiel einer umgedrehten Pyramide ist der St. Petersburg Pier in Florida, USA. Auch wenn man es dem Gebäude nicht unbedingt ansieht, wurde es schon 1973 fertiggestellt (Architekt: William B. Harvard, Sr.). Leider bestehen offenbar Pläne, den "Pier" abzureißen und durch ein neues Gebäude zu ersetzen (9).

Abbildungen

(1) "Niterói Contemporary Art Museum" von Rosino, CC-BY-SA-2.0 (verändert: Verweiszahl ergänzt)
(2) "Niterói Contemporary Art Museum" von Rosino, CC-BY-SA-2.0
(3) "Hanoi Museum, Hanoi, Vietnam" von Daaé, public domain
(4) "The Tempe Municipal Building in Tempe, Arizona" von Visitor7, CC BY-SA 3.0
(5) "Side view of City Hall" von Daniel Lobo, CC BY 2.0
(6) "Slovak Radio" von Dushan Hanuska, CC BY 2.0 (verändert: gestutzt)
(7) Vgl. http://www.telegraph.co.uk/finance/property/pictures/9126031/The-worlds-30-ugliest-buildings.html?frame=2875010
(8) "st-petersburg-pier-1024x768-2653" von Texx Smith, CC BY 2.0
(9) Vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/St._Petersburg_Pier

Kennen Sie weitere Beispiele für die Kombination von Gebäudegeometrie und Sonnenschutz? Schreiben Sie mir davon!

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